senioren-sicher-mobil beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie Sie bis ins hohe Alter möglichst selbständig mobil bleiben können. Der folgende Beitrag geht zunächst der Frage nach, ob Sie sich schon „Senior“ oder „Seniorin“ nennen dürfen und im Anschluss daran kurz, wie sich die gesellschaftliche Gruppe der Senioren in Deutschland auf ganz natürlichem Weg vermehrt, Stichwort „demografischer Wandel“[1].

Wer ist eine Seniorin oder ein Senior?

Fußgänger unterschiedlichen Alters überqueren die Fahrbahn an einer ampelgeregelten Fußgängerfurt.
Von fußgängerfreundlichen Ampelschaltungen profitieren alle Fußgänger, nicht nur ältere Menschen. Der Anteil der Älteren wird mit dem demografischen Wandel deutlich zunehmen. (Foto: Bernd Herzog-Schlagk)

Psychologisch ist der 50. Geburtstag sicherlich eine bedeutsame Grenze. Man hat ein halbes Jahrhundert hinter sich gebracht und bringt körperliche Veränderungen stärker mit dem Altern in Verbindung. Zudem wird auch von außen, zum Beispiel durch die sogenannte „werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen“ signalisiert, dass man nun nicht mehr zu den Jungen, sondern zur „Generation 50+“ gehört [2]. Diese Bezeichnung definiert ein „Eintrittsalter“, ohne eine neue, höhere Grenze zu setzen. Sie suggeriert, dass die neue zugleich auch die letzte Phase des Lebens ist und könnte nach diesem Verständnis durchaus zur Definition des Begriffes „Senioren“ herangezogen werden. In der Praxis aber ist jedem klar, dass 50-Jährige nicht mit 100-Jährigen gleichgesetzt werden können. Alle Personen ab 50 in einer „Altersgruppe“ zusammenzufassen, ist aus der Sicht des Konsumverhaltens genau so wenig wie unter Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit nachzuvollziehen.

Bei der Beobachtung der Entwicklung der Verkehrsmittelwahl der Bundesbürger wird häufig für die statistische Eingruppierung „60 Jahre und älter“ verwendet [3]. Statistische Auswertungen zur Verkehrssicherheit ziehen in der Regel das (bislang noch geltende) gesetzliche Rentenalter von 65 Jahren zur Gruppierung der untersuchten Bevölkerungsgruppen heran. „Seniorenverkehrssicherheit“ bezieht sich demnach auf alle Menschen ab diesem Alter und auf niemanden darunter. Abgesehen von der geplanten Anhebung des Rentenalters ab 2012 stellt sich hier auch die Frage nach der Gültigkeit dieses Vorgehens für den Einzelfall. Während manche Menschen mit 65 noch fit sind, leiden andere schon unter altersbedingten Einschränkungen.

Senioren mit Pensionären bzw. Rentnern gleichzusetzen, also eine Grenze beim Austritt aus dem Erwerbsleben zu ziehen, scheint da schon sinnvoller [4]. In der Regel ändert sich das Mobilitätsverhalten, bisherige Alltagswege entfallen, neue Alltags- und vor allem Freizeitwege kommen hinzu. Damit verbunden ist häufig auch die Änderung der Verkehrsmittelwahl. Allerdings haben viele Menschen, gerade ältere Frauen, einen Großteil ihres Lebens mit der Arbeit im Haushalt und der Kindererziehung verbracht und waren somit nicht im formalen Sinne erwerbstätig, bzw. setzen ihre Tätigkeiten fast unverändert fort, während der Partner den Lebensalltag umstellt. Andere gehen in Frührente und wieder andere verbleiben nach der Pensionierung noch für einige Stunden wöchentlich im Betrieb. Schließlich hat die Frühverrentung in vielen Fällen auch wirtschaftliche Gründe und steht nicht im Zusammenhang mit der Gesundheit des Beschäftigten. Das tatsächliche Renteneintrittsalter ist also eine sinnvolle Annäherung an die Problematik der Sicherheit im Straßenverkehr, aber es finden sich auch hier wieder viele Personen in der Gruppe der Senioren, die sich selbst nicht als solche fühlen.

Die reinen Altersdefinitionen sind sicher für statistische Aussagen notwendig, für die Einordnung des menschlichen „Alterungsprozesses“ allerdings problematisch. Und weil viele Menschen es auch nicht hören wollen, dass sie „alt“ sind, reagiert die Gesellschaft mit Verschönerungen wie z.B. „Best Agers“, „Golden Agers“, „reife Generation“ usw. oder mit Aufmunterungen wie z.B. der Bezeichnung „junge Alte: dynamisch und agil, spontan und mobil, konsumfreudig und neugierig.“ [5] „Ältere Menschen definieren sich selbst nach […] Aspekten, die vorrangig den individuellen Biografien, psycho-physischen Kompetenzen und Lebenswelten entsprechen.“ [6]

Deshalb ist bezüglich der Mobilität die unabhängig vom kalendarischen Alter im angelsächsischen Sprachraum benutzte Kategorisierung hilfreicher:

  • Go go, also die beweglichen, gesunden Senioren,
  • slow go, die bedächtigeren und langsameren Menschen,
  • no go, die älteren Menschen, die nicht mehr eigenständig mobil sein können und dennoch an den Erlebnissen der Außenwelt teilhaben wollen.

Wenn Sie der „Go go“-Gruppe angehören, körperlich fit sind und in Ihrer Wahrnehmungsfähigkeit keine Einbußen zu früheren Jahren bemerken, dann müssen Sie sich auch nicht in ihrer Mobilität selbst einschränken, indem Sie zum Beispiel auf das Fahrradfahren verzichten. Denken Sie aber daran, dass es nie zu früh ist, sich auf das Alter vorzubereiten. Auf die Interessen, Möglichkeiten und Grenzen der „slow go“- und „no go“-Gruppe muss sich unsere Gesellschaft allerdings noch stärker einstellen, als Verkehrsteilnehmer, als Planer sowie im Service- und Pflegebereich.

Der demografische Wandel [7]

ist in aller Munde. Während man in Deutschland vom „Problem der Überalterung“ unserer Gesellschaft spricht, wird z.B. in Japan die „neuartige Gesellschaft des langen Lebens“ als eine Herausforderung begriffen.

Die Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung schreiten recht schnell voran und sind unausweichlich. Im Jahre 1900 lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei ca. 47, heute liegt sie etwa bei 80 Lebensjahren. „Während 2005 das Durchschnittsalter 41 Jahre war, wird es im Jahr 2030 auf 51 Jahre ansteigen.“ [8] In Deutschland wird der Anteil der älteren Menschen ab 65 Jahre von unter 20% der Gesamtbevölkerung im Jahr 2010 auf etwa 25% im Jahr 2030 und auf rund ein Drittel im Jahr 2050 steigen. Noch ausgeprägter ist die Entwicklung des Anteiles der über 75-Jährigen von heute 8,5 % auf 10,7 % im Jahr 2010 und 11,9 % im Jahr 2030 und damit wird Deutschland einen der höchsten Altenanteile der Staaten der Welt aufweisen.

Die demografische Entwicklung verläuft zwar von Staat zu Staat verschieden, wird aber in Europa insgesamt einen sehr ähnlichen Verlauf nehmen: „Die Überalterung der Bevölkerung aufgrund niedriger Geburtenraten und steigender Lebenserwartung ist […] eine Tatsache. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der über 65-jährigen EU-Bürger um 70 % ansteigen. Die Altersgruppe der über 80-Jährigen wird um 170 % zunehmen.“ [9]

Dabei wird auch die absolute Zahl der Senioren größer und zudem wird die Lebenserwartung weiter steigen, sodass auch unter den Verkehrsteilnehmern immer mehr ältere Menschen sein werden. Dieser Wandel wird nicht nur ein verändertes allgemeines Verkehrsverhalten mit sich bringen, sondern es müssen auch die Rahmenbedingungen der Mobilität verändert werden. Jedes Verkehrsmittel muss hier beachtet werden, aber insbesondere das Zu-Fuß-Gehen als wichtigste Fortbewegungsart von Senioren bedarf einer Förderung.

 


 

Eine Zusammenstellung ausgesuchter Veröffentlichungen zum Themenkomplex finden Sie im Literatur-Register.

 

Quellengaben und Anmerkungen

können sich wiederholen, um Ihnen das Auffinden zu erleichtern:

[1] Demografie ist die Wissenschaft, die sich statistisch mit der Bevölkerungsentwicklung insgesamt befasst. Bei der Debatte um den „demografischen Wandel“ geht es vor allem die Entwicklung der älter werdenden Bevölkerung und die darauf folgenden Konsequenzen.

[2] Mit der Öffentlichkeitsarbeit zum „Internationalen Jahr der Senioren 1999“ wurde die Bezeichnung der „Generation 50+“ stärker in den Vordergrund gebracht, nicht zuletzt, um den Kreis auszuweiten und damit die ältere Generation aus der „Schusslinie“ der Führerscheinüberprüfung zu bekommen.

[3] z.B. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung BMVBS (Hrsg.): Mobilität in Deutschland (MiD), 2008

[4] „Unter Alter verstehen wir den Lebenszeitraum nach der Pensionierung.“ Kalbermatten, Urs: Perspektiven älterer Menschen bezüglich Lebensgestaltung und Mobilitätsbedürfnissen, in Monika Tschannen, Ursula Gertsch, Ludo Cebulla (Hrsg.): Mobilität im Alter, Fokus Siedlungs- und Verkehrsplanung, Berner Beiträge zur Gerontologie II, Weißensee Verlag, Berlin 2007

[5] mobil bleiben, aber sicher! Das Magazin der Deutschen Verkehrswacht zum Thema Senioren und Verkehrssicherheit, 2006

[6] Dr.-Ing. Bakaba, Jean Emmanuel; Dipl.-Ing. Jörg Ortlepp: Verbesserung der Verkehrssicherheit älterer Verkehrsteilnehmer, Reihe: Unfallforschung kompakt, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Unfallforschung der Versicherer (Hrsg.), Berlin, 2010

[7] Demografie ist die Wissenschaft, die sich statistisch mit der Bevölkerungsentwicklung insgesamt befasst. Bei der Debatte um den „demografischen Wandel“ geht es vor allem die Entwicklung der älter werdenden Bevölkerung und die darauf folgenden Konsequenzen.

[8] Prof.Dr. Rump, Fachhochschule Ludwigshafen am Rhein: Demografischer Wandel – Mehr als eine Altersfrage, http://web.fh-ludwigshafen.de/rump/home.nsf/de/altundjung (Link funktionierte im Mai 2017 nicht mehr.)

[9] Europäische Kommission: „Weißbuch - Gemeinsam für die Gesundheit: Ein strategischer Ansatz der EU für 2008-2013“ KOM(2007) 630, Brüssel, 23. Oktober 2007, Kap. 3. Strategische Ziele, Ziel 1: Förderung der Gesundheit in einem alternden Europa, S. 9.