mobil sein heißt, aktiv am Leben teilzunehmen, Besorgungen zu erledigen, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen sowie immer wieder neue Erfahrungen sammeln zu können. Der folgende Beitrag geht zunächst der Frage nach, welche Bedeutung der Mobilitätserhalt für ältere Menschen hat und skizziert im Anschluss kurz die vier wissenschaftlichen Mobilitätsmodelle für Senioren, an denen Sie ablesen können, ob sie den „Ruhestand“ oder den „Unruhestand“ bevorzugen und welche Folgen dies für Sie und die Gesellschaft hat.

Welche Bedeutung hat Mobilität für ältere Menschen?

Zwei Fußgänger auf einem Gehweg im Gespräch
Ausreichend breite Gehwege sind erforderlich, damit sich Fußgänger dort z.B. für ein Gespräch entspannt aufhalten, andere aber auch zügig voran kommen können. (Foto: Yv Reißig / www.pixelio.de)

Mobilität wird auf dieser Website „nicht nur als beobachtbares, direkt qualifizierbares Phänomen etwa in Form der Zahl der zurückgelegten Kilometer oder Wege aufgefasst, sondern vielmehr als Qualität im Sinne von Möglichkeiten und Spielräumen einer Person, zwischen Zielen, Zeitpunkten, Routen und Verkehrsmitteln wählen zu können.“ [1] „Die Mobilitätsthematik beeinflusst … die Identität, das Selbstwertgefühl und die Selbständigkeit des älteren Menschen, aber auch seine soziale Partizipation und seine gesellschaftliche Integration.“ [2] „Der Stellenwert von Mobilität im Vergleich zu anderen Lebensbereichen ist für Erwachsene insgesamt sehr hoch und wird an vierter Stelle hinter Familie, Wohnen, Freunde/Bekannte genannt.“ [3]

Außerhäusliche Mobilität im Alter wirkt „moderierend auf verschiedene andere Einflussfaktoren von Lebensqualität“ [4] und bestimmt die Qualität in vier Lebensbereichen:

  1. „Körperlicher Bereich: Der Mensch ist primär ein Bewegungswesen und in ihm steckt ein starkes Bedürfnis und Lust auf Bewegung. Mobilität ist das Mittel, dieses Motiv zu befriedigen. Bei Abbauprozessen stehen dem Menschen verschiedene Strategien offen, diese zu kompensieren…
  2. Geistig-Psychischer Bereich: Mobilität geht hier einher mit Selbstwert, Selbstbewusstsein, Kompetenzerleben, Lebenslust, Lebensunternehmer in eigenen Interessen, Wahrnehmung von Lebensaufgaben, Freiheit und Selbständigkeit. Eingeschränkte Mobilität wird mit Verlust an Lebensqualität in Verbindung gebracht.
  3. Sozialer und gesellschaftlicher Bereich: Mobilität ermöglicht soziale Kontakte, gesellschaftliche Partizipation (in Vereinen, Clubs, Gemeinde u.a.) und Integration.
  4. Umwelt Bereich: Zugang zu räumlichen Ressourcen, Dienstleistungen (Bank, Post, Arzt, Geschäften u.a.), Natur und Transporte von Gegenständen.“ [5]

„Mobilität […] ist aber auch Selbstzweck, dient dem Spaß und der Freude am Leben (Spazierengehen, Radfahren).“ [6]

„Mobilität ist für ältere Menschen ein besonders wichtiges Thema, weil sie eher in der Gefahr sind, sie zu verlieren.“ [7] Senioren sind „aufgrund von Änderungen ihres Lebensstils und besserer Gesundheit mobiler als früher. Dabei nehmen besonders Freizeit- und soziale Aktivitäten … zu.“ [8] „Die Mobilität wird im Alter zunächst ausgeweitet und erfährt nach dem Auszug der Kinder und der Pensionierung einen erhöhten Stellenwert“, um dann etwa mit 75 Jahren wieder zurückzugehen [9].

Mobilität bedeutet in seiner ursprünglichen lateinischen Form als Verb mobilitare: beweglich und lebendig machen. „Der Spielraum für eine eigene Lebensgestaltung und für das Unterwegssein wird unter anderem stark durch die körperlichen und psychischen Voraussetzungen bestimmt“ [10] (vgl. Gesundheit und Bewegung) und durch das vorhandene soziale Netz [11]. „Bewegungsmangel führt zu einem circulus vitiosus: Die Außenkontakte werden eingeschränkt, dadurch werden Fähigkeiten der Orientierung in der außerhäuslichen Umwelt vernachlässigt, die Mobilität wird herabgesetzt, damit gehen die soziale Kompetenz und auch die Bereitschaft verloren, Außenkontakte zu pflegen.“ [12] Deshalb ist es wichtig, sich bereits in jungen Jahren selbstbewusst aber auch selbstkritisch mit den eigenen sich verändernden Fähigkeiten und Bedürfnissen auseinanderzusetzen und diese in Mobilitätsplanungen und in die jeweilige Verkehrsmittelwahl mit einzubeziehen [13]. „Im Alter wird (dann) Mobilität zum Ausdruck der Flexibilität und (zählt) zu den wichtigsten Bedingungen zur Lebenszufriedenheit“. [14]

Mobilitätsmodelle für Senioren [15]

 

Eine ältere Frau mit Stock steigt auf der Fahrerseite in ein Auto ein.
Für manche Senioren/innen ist das Auto die einzige Möglichkeit am Straßenverkehr teilzunehmen. Speziell für diese Gruppen sind Parkplätze direkt am Ziel erforderlich. (Foto: Franz Haindl / www.pixelio.de)

„Die Abnahme der Mobilitätskompetenz als Folge des Altwerdens ist eine nicht zu leugnende Tatsache.“ [16] Es gibt in groben Zügen vier gerontologische Modelle [17] der Mobilität, um darauf einzugehen: - Das älteste geht davon aus, dass „man im Alter eine hohe Zufriedenheit (erreicht), wenn man sich von der Gesellschaft zurückzieht“ und das Alter als „Ruhestand“ begreift. Das sogenannte „Defizit-Modell“ wird in Deutschland wahrscheinlich für nur sehr wenige Menschen Ziel für die letzten Lebensjahre darstellen. - Dagegen steht die Ansicht, dass ältere Menschen durch ihren Lebensstil Verantwortung tragen und ein „möglichst langes Beibehalten der bisherigen Rollen“ durch regelmäßiges Trainieren der Fähigkeiten erreichen sollten. Diesem sogenannten „Aktivitätsmodell“ werden besonders die aktiven und „lebenslustigen Alten“ zustimmen. Seine „Grenzen liegen darin, dass gewisse Abbauprozesse letztlich trotz unermüdlichen Trainierens nicht verhinderbar oder kompensierbar sind.“ - Da das Leben Grenzen hat und endlich ist, besitzt „das ältere Individuum… selber die Verantwortlichkeit nach Maßgabe seiner Fähigkeiten auf Defizite zu reagieren oder auch nicht.“ Die Gesellschaft muss deshalb für die älteren Menschen allenfalls Handlungsspielräume eröffnen (Kompetenzmodell). - Die genannten Aspekte sollten miteinander verknüpft werden und es ist davon auszugehen, dass das menschliche Leben sowohl aktive (Steuerung, Zielsetzung, Planung, Sinngebung) wie auch reaktive (Anpassung, Regulation, Kompensation) Komponenten enthält (Handlungstheorie) [18].

Zu beachten ist, dass der Anteil der Personen mit Mobilitätseinschränkungen unabhängig vom Alter in Deutschland derzeit „etwa 1/3 der Gesamtbevölkerung [beträgt] mit zunehmender Tendenz. Mögliche Funktionseinschränkungen betreffen die Beweglichkeit, das Sehvermögen, das Gehör, die Reaktionszeit, sowie die Fähigkeit, mehrere gleichzeitig stattfindende Ereignisse zu koordinieren.“ [19] (vgl. Bewegung und Gesundheit)

 


 

Weitere Informationen zum Thema Mobilität finden Sie unter Verkehrsmittelwahl sowie Verkehrs- und Mobilitätsverhalten von Senioren und unter Tipps finden Sie eine Zusammenstellung von Hinweisen für die Teilnahme am Straßenverkehr.

Unter www.fuss-ev.de > Themen > Senioren zu Fuß finden Sie im Beitrag „Älter werden, mobil bleiben – Mobilitätsverhalten älterer Menschen“ Informationen über die Entwicklung zielgruppenspezifischer Mobilitätsangebote für Senioren. Eine Zusammenstellung ausgesuchter Veröffentlichungen zum Themenkomplex finden Sie im Literatur-Register.

 

Quellengaben und Anmerkungen

können sich wiederholen, um Ihnen das Auffinden zu erleichtern:

[1] Flade, A., Limbourg, M., Schlag, B. (Hrsg.): Mobilität älterer Menschen, Leske + Budrich Verlag, Opladen, 2001, S.7

[2] Monika Tschannen: Vorwort, in Monika Tschannen, Ursula Gertsch, Ludo Cebulla (Hrsg.): Mobilität im Alter, Fokus Siedlungs- und Verkehrsplanung, Berner Beiträge zur Gerontologie II, Weißensee Verlag, Berlin 2007

[3] J. Gerlach, P. Neumann, D. Boehnke, F. Bröckling, W. Lippert, B. Rönsch-Hasselhorn: Mobilitätssicherung älterer Menschen im Straßenverkehr - Forschungsdokumentation, Forschungsergebnisse für die Praxis, Band 02, eine Schriftenreihe der Eugen-Otto-Butz-Stiftung, Köln 2007

[4] Maria Limbourg, Stefan Matern: Erleben, Verhalten und Sicherheit älterer Menschen im Straßenverkehr, Mobilität und Alter, Band 04, eine Schriftenreihe der Eugen-Otto-Butz-Stiftung, Köln 2009

[5] vgl. Kalbermatten, Urs: Perspektiven älterer Menschen bezüglich Lebensgestaltung und Mobilitätsbedürfnissen, in Monika Tschannen, Ursula Gertsch, Ludo Cebulla (Hrsg.): Mobilität im Alter, Fokus Siedlungs- und Verkehrsplanung, Berner Beiträge zur Gerontologie II, Weißensee Verlag, Berlin 2007

[6] Maria Limbourg, Stefan Matern: Erleben, Verhalten und Sicherheit älterer Menschen im Straßenverkehr, Mobilität und Alter, Band 04, eine Schriftenreihe der Eugen-Otto-Butz-Stiftung, Köln 2009

[7] AGE Platform Europe (Hrsg.): Door-to- door transport systems: older people’s point of view, Brüssel 2002 (Tür-zu-Tür Verkehrssysteme: Standpunkt älterer Menschen)

[8] Vgl. Arentze, T., Timmermanns, H., Jorritsma, P., Kalter, M.-J.O., Schoenmakers, A.: More grey hair – but for whom? Scenario-based simulations of eldery activity travel patterns in 2020. Transportation, 35, S. 613-627, 2008, in: Dr. Sonja Haustein, Mechthild Stiewe: Mobilitätsverhalten von Senioren – zur Entwicklung zielgruppenspezifischer Mobilitätsangebote, in: trends 1/10, ILS Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (Hrsg.), Dortmund 2010

[9] vgl. Kalbermatten, Urs: Perspektiven älterer Menschen bezüglich Lebensgestaltung und Mobilitätsbedürfnissen, in Monika Tschannen, Ursula Gertsch, Ludo Cebulla (Hrsg.): Mobilität im Alter, Fokus Siedlungs- und Verkehrsplanung, Berner Beiträge zur Gerontologie II, Weißensee Verlag, Berlin 2007

[10] Monika Tschannen: Vorwort, in Monika Tschannen, Ursula Gertsch, Ludo Cebulla (Hrsg.): Mobilität im Alter, Fokus Siedlungs- und Verkehrsplanung, Berner Beiträge zur Gerontologie II, Weißensee Verlag, Berlin 2007

[11] Scheiner, J.: Macht Mobilität glücklich? Auswirkungen der Mobilität auf die Lebenszufriedenheit. In: G. Rudinger, C. Holz-Rau, R. Grotz: Freizeitmobilität älterer Menschen. Dortmunder Beiträge zur Raumplanung, S.173-179, IRPUD, Dortmund 2004 und Dr. Sonja Haustein, Mechthild Stiewe: Mobilitätsverhalten von Senioren – zur Entwicklung zielgruppenspezifischer Mobilitätsangebote, in: trends 1/10, ILS Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (Hrsg.), Dortmund 2010

[12] Prof.Dr. Herbert Hartmann: Bewegung, Spiel und Sport – mehr Lebensqualität im Alter, in: BAGSO-Nachrichten 2/2008)

[13] vgl. Netzwerk Verkehrssicherheit Brandenburg, Mai 2010

[14] Kalbermatten, Urs: Perspektiven älterer Menschen bezüglich Lebensgestaltung und Mobilitätsbedürfnissen, in Monika Tschannen, Ursula Gertsch, Ludo Cebulla (Hrsg.): Mobilität im Alter, Fokus Siedlungs- und Verkehrsplanung, Berner Beiträge zur Gerontologie II, Weißensee Verlag, Berlin 2007

[15] Eine deutlich umfassendere Zusammenstellung finden Sie in: Maria Limbourg, Stefan Matern: Erleben, Verhalten und Sicherheit älterer Menschen im Straßenverkehr, Mobilität und Alter, Band 04, eine Schriftenreihe der Eugen-Otto-Butz-Stiftung, Köln 2009, Kap. 4: Theorien zur Mobilität im höheren Lebensalter.

[16] Verena Häberli: Gesellschaftlich und technisch bedingte Veränderungen der Verkehrs- und Siedlungsstruktur und ihr Einfluss auf die Mobilität im Alter, in Monika Tschannen, Ursula Gertsch, Ludo Cebulla (Hrsg.): Mobilität im Alter, Fokus Siedlungs- und Verkehrsplanung, Berner Beiträge zur Gerontologie II, Weißensee Verlag, Berlin 2007

[17] Die Gerontologie (gerón=Greis, lógos=Lehre[gr.]) ist die Wissenschaft vom Altern.

[18] zit. nach Kalbermatten, Urs: Perspektiven älterer Menschen bezüglich Lebensgestaltung und Mobilitätsbedürfnissen, in Monika Tschannen, Ursula Gertsch, Ludo Cebulla (Hrsg.): Mobilität im Alter, Fokus Siedlungs- und Verkehrsplanung, Berner Beiträge zur Gerontologie II, Weißensee Verlag, Berlin 2007

[19] W. Echterhoff (Hrsg.): Strategien zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen, Mobilität und Alter, Band 01, eine Schriftenreihe der Eugen-Otto-Butz-Stiftung, Köln 2005, S. 138