sicher-mobil sein bedeutet, seine Ziele möglichst konflikt- und unfallfrei zu erreichen und sich sicher im Straßenraum aufhalten zu können. Der folgende Beitrag geht zunächst kurz der Frage nach, welchen Stellenwert die Verkehrssicherheit für Senioren hat und behandelt anschließend das Verkehrsunfall-Risiko von älteren Menschen in Deutschland und beispielhaft die Unfallsituation in Berlin.
Was bedeutet Verkehrssicherheit für Senioren?
Unter Sicherheit versteht man einen möglichst risiko- und gefahrfreien Zustand; im öffentlichen Straßenraum geht es um die Vermeidung möglicher Beeinträchtigungen durch Unfälle (durch Menschen oder Zustände verursachte unerwartete Ereignisse) oder der sozialen Sicherheit (Belästigungen, Bedrohungen bzw. Überfälle durch andere Menschen).
„Verkehrssicherheit bedeutet:
- keine Unfälle/Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmenden
- keine Selbstunfälle (Ausgleiten, Straucheln/Stürzen)
(und) umfasst:
- die objektive Gefährdung
- das Sicherheitsempfinden (z.B. Angst vor Unfällen)“ [1]
Sicherheit im Verkehr ist eine Grundvoraussetzung für ein aktives und unabhängiges Leben. Wer sich im Verkehr nicht sicher fühlt, der wird solche Situationen meiden – völlig egal, wie alt man ist. Für Senioren ist Verkehrssicherheit aus zweierlei Gründen besonders wichtig: Zum einen sind sie häufig im Gegensatz zu berufstätigen Menschen weniger angewiesen auf ihre tagtägliche Mobilität (zum Beispiel um zum Arbeitsplatz zu kommen) und sind daher eher geneigt, auf nicht zwingend notwendige Wege zu verzichten und sich zurückzuziehen.
Zum anderen: „Wenn es zu einem Unfall kommt, sind die gesundheitlichen Unfallfolgen für ältere Verkehrsteilnehmer aufgrund ihrer körperlichen Konstitution […] schwerwiegender als für jüngere.“ [2] Bei über 65-Jährigen sind „Brustkorb, Arme und Beine […] wesentlich verletzungsanfälliger.“ [3]
Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit kommt auch der Wahl des Verkehrsmittels eine große Bedeutung zu. Der öffentliche Personenverkehr ist mit Abstand die sicherste Art der Fortbewegung – nicht nur für Senioren. Leider ist die Wahrnehmung aber häufig eine andere, denn neben der objektiven Gefährdung spielt auch das subjektive Sicherheitsempfinden des Einzelnen eine Rolle. Hier schneiden die öffentlichen Verkehrsmittel oft schlecht ab, obwohl dies ungerechtfertigt ist [4]. Als Fußgänger und Radfahrer sind Senioren deutlich stärker gefährdet als in Bus und Bahn.
Wie hoch ist das Verkehrsunfall-Risiko für Senioren?
„Im Jahr 2008 lebten 16,6 Mill. Personen im Alter von mindestens 65 Jahren in Deutschland; ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung hat aufgrund der demographischen Entwicklung in Deutschland zugenommen und liegt zurzeit bei 20%. Als Beteiligte an Unfällen mit Personenschaden hatten die über 65-Jährigen in 2008 aber `nur` einen Anteil von 11%“ [5], sie waren also nur halb so oft an solchen Verkehrsunfällen beteiligt wie der Rest der Bevölkerung [6]. „Seniorinnen im Alter über 65 Jahren sind (sogar) – bezogen auf die jeweiligen Einwohnerzahlen - die Altersgruppe, die am seltensten bei Verkehrsunfällen verunglückt [7].“ „Zwischen dem 40. und 60. Altersjahr ist die Unfallrate am tiefsten. Anschließend steigt sie vor allem ab dem 70. Altersjahr wieder an. Dieser Anstieg der Unfallrate im Alter gilt für Autofahrer, Fußgänger und noch ausgeprägter für Fahrradfahrer.“ [8]
Obwohl Personen ab 65 gemessen an ihrem zahlenmäßigen Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in unterproportional wenige Unfälle verwickelt sind, werden sie bei einem Unfall überdurchschnittlich häufig schwer verletzt oder sogar getötet. So waren 2009 nur knapp 9,2 % aller verunglückten Insassen von PKW über 65 Jahre alt, während der Anteil von Senioren an den getöteten PKW-Insassen 21 % betrug [9]. Von den getöteten Senioren waren allerdings mit 46 % die meisten im Auto unterwegs, im Vergleich zu den Radfahrern als nächstgrößere Gruppe mit 27 % der tödlich Verunglückten [10].
„Die Folgen von Straßenverkehrsunfällen mit Beteiligung von Senioren (sind) alarmierend. Seit 1996 steigt deren Verunglückten-Zahl im Vergleich zum gesamten Unfallgeschehen überproportional an. Knapp ein Viertel aller getöteten Verkehrsteilnehmer, über die Hälfte der getöteten Fußgänger sowie die Hälfte der getöteten Radfahrer (waren 2008) Senioren [11].“ „Bezogen auf die zurückgelegte Kilometerzahl haben die 70- bis 74-jährigen ein zweimal, die 75- bis 79-jährigen ein viermal und die über 80-jährigen Senioren ein 20-mal höheres Risiko , als Fußgänger schwer oder tödlich verletzt zu werden,“ und das Fahrradfahren ist „ab einem Alter von 70 Jahren doppelt so gefährlich und ab 75 Jahren neunmal gefährlicher“ im Vergleich zu den 40- bis 64-jährigen [12]. Ein besonders großes Risiko tragen alle Verkehrsteilnehmer über 75 Jahre, denn sie verunglücken überdurchschnittlich häufig tödlich [13].
Zusammenfassend muss leider gesagt werden, dass das Risiko, im Straßenverkehr schwere Verletzungen zu erleiden oder das Leben zu verlieren mit zunehmendem Alter zunimmt und sehr hoch ist.
Die Unfallsituation der Senioren am Beispiel Berlin
„Die Verkehrsbeteiligung älterer Verkehrsteilnehmer ab 65 Jahre nimmt in den letzten Jahren stetig zu. Zum einen steigt der Anteil dieser Altersgruppe an der Bevölkerung auf 18,7 % (Stand 2008), zum anderen sind die Senioren zunehmend häufiger und länger mobil. Da die körperlichen Fähigkeiten eines Menschen, insbesondere Beweglichkeit, Sehvermögen und Reaktionsfähigkeit mit zunehmendem Alter nachlassen, sind Senioren jedoch mittlerweile zu 10,3 % am Unfallgeschehen beteiligt. Da allerdings immer mehr Menschen immer älter werden, wird sich polizeiliche Verkehrsunfallpräventionsarbeit verstärkt an diese Zielgruppe richten.“ [14]
„Im Mittel der drei Jahre 2007-2009 verunglückten im Berliner Stadtverkehr jährlich [...] 1050 Senioren (ab 65 Jahre). Im Vergleich zu den entsprechenden Mittelwerten aus den Jahren 2002-2004 ergab sich damit bei ... den Senioren eine erhebliche Zunahme. Erfreulich erscheint, dass die unter Berücksichtigung der Einwohnerentwicklung ermittelte gewichtete Anzahl schwer verletzter Senioren seit 2004 – anders als deren absolute Anzahl – nicht zugenommen, sondern bei den über 74-jährigen Senioren sogar deutlich abgenommen hat. Das Risiko, im Falle eines Verkehrsunfalls schwer verletzt zu werden, ist bei den über 74-jährigen Senioren am höchsten [....] Fast jede vierte Person über 74 Jahre und jede siebte Person in den Altersgruppen der […] 65- bis 74-Jährigen [...] werden im Falle eines Verkehrsunfalls schwer verletzt. Dies ist nicht zuletzt auf die altersspezifische Formen der Verkehrsteilnahme – speziell den hohen Fußgängeranteil bei den risikoreichsten Altersgruppen – zurückzuführen, hat bei den Senioren jedoch mit zunehmendem Alter auch andere Gründe: Beispielsweise führen Stürze jeder Art hier häufiger zu gravierenden Verletzungen und Verletzungsfolgen als in jüngerem Alter.“ [15]
Die Verkehrssicherheit ist in einem hohen Maße von der örtlichen Infrastruktur der Verkehrsflächen und Aufenthaltsräume abhängig. Sie kann durch die Verkehrsmittelwahl und das Verkehrsverhalten beeinflusst werden und ist zudem abhängig von der Wahrnehmungsfähigkeit und der Gesundheit der Verkehrsteilnehmer. In der Rubrik Tipps finden Sie eine Zusammenstellung von Hinweisen für die Teilnahme am Straßenverkehr und eine Zusammenstellung ausgesuchter Veröffentlichungen zum Themenkomplex im Literatur-Register.
Quellenangaben und Anmerkungen
können sich wiederholen, um Ihnen das Auffinden zu erleichtern:
[1] Häberli, Verena: Gesellschaftlich und technisch bedingte Veränderungen der Verkehrs- und Siedlungsstruktur und ihr Einfluss auf die Mobilität im Alter, in Monika Tschannen, Ursula Gertsch, Ludo Cebulla (Hrsg.): Mobilität im Alter, Fokus Siedlungs- und Verkehrsplanung, Berner Beiträge zur Gerontologie II, Weißensee Verlag, Berlin 2007
[2] DVR Deutscher Verkehrssicherheitsrat: Mobil bis ins hohe Alter, Bonn, Juni 2008
[3] DVR Deutscher Verkehrssicherheitsrat: Schon ab 50 Jahren werden ältere Autofahrer auffällig, Bonn, Juli 2009
[4] vgl. Isabel Borges: "The added value of accessible public transport for all in the context of demographic ageing", AGE Presentation at XXIII World Road Congress, Paris, September 2007
[5] Statistisches Bundesamt: Unfälle von Senioren im Straßenverkehr 2008
[6] „Unfall-Beteiligte“ sind alle Fahrzeugführer oder Fußgänger, die selbst oder deren Fahrzeug Schäden erlitten oder hervorgerufen haben, verunglückte Mitfahrer zählen nicht dazu.
[7] Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.): „Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 2006/2007“, Berlin, 9. September 2008
[8] Cebulla, Ludo: Im Alter selbständig mobil - Voraussetzungen, in Monika Tschannen, Ursula Gertsch, Ludo Cebulla (Hrsg.): Mobilität im Alter, Fokus Siedlungs- und Verkehrsplanung, Berner Beiträge zur Gerontologie II, Weißensee Verlag, Berlin 2007
[9] Statistisches Bundesamt (Hrsg.): „Verkehrsunfälle. Unfallentwicklung im Straßenverkehr“, Wiesbaden, 15. Juli 2010, S. 23.
[10] Statistisches Bundesamt (Hrsg.): „Verkehrsunfälle. Unfallentwicklung im Straßenverkehr“, Wiesbaden, 15. Juli 2010, S. 22.
[11] Bakaba, Dr.-Ing. Jean Emmanuel; Ortlepp, Dipl.-Ing. Jörg: Verbesserung der Verkehrssicherheit älterer Verkehrsteilnehmer, Reihe: Unfallforschung kompakt, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Unfallforschung der Versicherer (Hrsg.), Berlin, 2010, nach Statistisches Bundesamt (Destatis), nach Deutscher Verkehrssicherheitsrat: Senioren als Fußgänger oder Radfahrer besonders gefährdet, August 2010
[12] Maria Limbourg, Stefan Matern: Erleben, Verhalten und Sicherheit älterer Menschen im Straßenverkehr, Mobilität und Alter, Band 04, eine Schriftenreihe der Eugen-Otto-Butz-Stiftung, Köln 2009
[13] Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.): „Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 2006/2007“, Berlin, 9. September 2008, S. 9.
[14] Der Polizeipräsident in Berlin: Verkehrsicherheitsberatung für Senioren https://www.berlin.de/polizei/aufgaben/verkehrssicherheit/verkehrssicherheitsberatung/
[15] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin (Hrsg.): „Verkehrssicherheitsbericht 2010. Berlin Sicher Mobil – Verkehrssicherheitsprogramm Berlin 2010“, Berlin, Juli 2010, Grundlegende Trends im Hinblick auf das Alter der Verunglückten (S. 8-9)