In diesem Beitrag folgt nach den Betrachtungen über den Stellenwert von Infrastrukturmaßnahmen für die Verbesserung der Verkehrssicherheit eine kurze Zusammenstellung von Hinweisen auf konkrete Infrastrukturmaßnahmen.

Welchen Stellenwert haben Infrastrukturmaßnahmen auf die Verkehrssicherheit?

Seniorin sitzt auf einem Rollator an einer schmalen Straße auf der nur ein einziges Auto fährt
Nicht nur für Senioren sicher und erholsam: Hohe Aufenthaltsqualität an einer schmalen, verkehrsarmen Straße. (Foto: Martin Stauß / www.pixelio.de)

Bei der zur Verminderung oder Behebung von Sicherheitsmängeln anerkannten „4-E-Formel der Verkehrssicherheitsarbeit [1]: engineering – enforcement – education – encouragement/economy [2] stehen die planerischen und technischen Maßnahmen (engineering) stets an erster Stelle (vgl. Verbesserung der Sicherheit). Deshalb wird die Europäische Kommission

„geeignete Vorschläge vorlegen, um [u.a. …] technische Normen für den Schutz schwächerer Straßenverkehrsteilnehmer fortlaufend zu beobachten und weiterzuentwickeln, [... und] die Sicherheit [...] schwächerer Straßenverkehrsteilnehmer zu verbessern, z. B. durch die Förderung der Einrichtung geeigneter Infrastrukturen.“ [3] (vgl. Zielvorgaben)

„Legt man das Schwergewicht immer auf die Verhaltensänderung, ohne die Bedingungen dafür zu verbessern, dann erreicht man allenfalls die Mittelschicht, verstärkt also die gesundheitliche und soziale Ungleichheit.“ [4] Stadtplanungs- oder Verkehrsplanungs-Maßnahmen mit ausdrücklicher Berücksichtigung der Belange der Senioren kommen allen anderen Verkehrsteilnehmern ebenfalls zugute. „Man kann davon ausgehen, dass eine barrierefrei zugängliche Umwelt für etwa 10 % der Bevölkerung unentbehrlich, für 30-40 % der Bevölkerung notwendig und für alle komfortabel ist.“ [5] Dennoch haben „ältere Menschen bezüglich der Gestaltung bewegungsfreundlicher und barrierearmer Wohnquartiere besondere Bedürfnisse, wie verkehrsberuhigte Straßen, sichere Straßenübergänge, ausreichende Sitzmöglichkeiten entlang ihren alltäglichen Bewegungsrouten.“ [6] „Die Notwendigkeit zur Anpassung der Verkehrsinfrastruktur ergibt sich u.a. aus dem Sachverhalt, dass die weit überwiegende Mehrheit der Generation 65+ weder pflege- noch hilfsbedürftig ist und nicht unterhalten und betreut werden, sondern sozial aktiv das Leben gestalten und damit auch weiterhin mobil sein will.“ [7]

 

Zwei Senioren reagieren erschreckt auf ein vorbeifahrendes Auto
Da die Reaktionsfähigkeit im Alter nachläßt, fühlen sich Senioren/innen in besonderem Maße von zu schnell fahrenden Autofahrern beeinträchtigt. (Foto: Bernd Herzog-Schlagk)

„Um [den] Eigenheiten und Fähigkeiten älterer Menschen […] zu genügen, müssen die Gestaltungen der Straßen und Wege fünf einfachen Kriterien genügen:

  • möglichst langsamer Fahrverkehr,
  • einfache und klare Regelungen,
  • sichere Gestaltungen,
  • sorgfältiger Unterhalt und Pflege,
  • bequeme Verbindungen und Sitzmöglichkeiten“ [8] für Fußgänger, Radfahrer und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel.

Da Entscheidungen und Planungen durch die berufsaktive Generation erfolgen, ist es darüber hinaus sehr wichtig, dass sich ältere Menschen mit ihren Erfahrungen und persönlichen Herausforderungen in Planungsprozesse einmischen (können)!

„Wenn Überforderungen ein gravierendes Unfallrisiko darstellen (siehe Sicherheit), gilt es, die Anforderungen, die komplexe Verkehrssituationen an Verkehrsteilnehmer stellen, zu reduzieren. Entzerrungs- und Entflechtungsmaßnahmen können maßgebend zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit und damit zur Mobilitätssicherung bis ins hohe Alter beitragen. […] Unfallrisiken für ältere Verkehrsteilnehmer treten [für Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer] vor allem an Knotenpunkten (Vorfahrt, Abbiegen, Erkennen der Signalregelung) und bei Querung der Fahrbahnen als Radfahrer oder Fußgänger […] auf.“ [9] „Schlüsselmaßnahmen könnten […] der Rückbau der oftmals überbreiten Fahrbahnen und Geschwindigkeitsbegrenzungen sein, da hierdurch wichtige Voraussetzungen für eine verträglichere Abwicklung der verkehrlichen Belastungsfaktoren geschaffen würden“ [10].

 

Jüngere und ältere Menschen überqueren eine Fußgängerampel bei „Grün“
Die Grünphasen an Ampeln sind oft sehr kurz, so dass insbesondere ältere Menschen oft erst bei "Rot" die andere Straßenseite erreichen. (Foto: Bernd Herzog-Schlagk)

Im Zusammenhang mit dem geplanten Weißbuch zur Straßenverkehrssicherheit für 2011 bis 2020 der Europäischen Kommission [11] hat der europäische Verband der Senioren-Organisationen folgende Mindeststandards der Infrastrukturgestaltung formuliert:

  • „Lichtsignalanlagenmanagement, d.h. ausreichende Verkehrslücken für das sichere Überqueren, auch durch Ältere, und konfliktfreies Queren an Ampeln,
  • Reduktion des Risikos für Fußgänger an Kreuzungen; dort muss die Gestaltung sicherstellen, dass Kraftfahrzeugfahrer sich erwartungsgemäß verhalten und dass Kreuzungen frei von Hindernissen sind.
  • Sicherstellen der Kontinuität von Fußwegen und verminderte körperliche Anstrengungen durch weniger Lücken zwischen Bürgersteig und Fahrbahn.
  • Förderung der gegenseitigen Sichtbarkeit von Fußgängern und Autofahrern.
  • Schaffung sicherer Kreuzungen an Straßen mit besonderen Eigenschaften (Einkaufsstraßen, Freizeit- oder Wohngegenden, Gegenden nahe Seniorenwohnanlagen.
  • Reduzierte Fahrbahnbreiten an Übergängen und reduzierte Geschwindigkeiten von Fahrzeugen.
  • Einführung neuer Technologien wie automatischen Systemen zur Erhöhung der Fußgängersicherheit an Kreuzungen, z.B. durch Erfassung wartender Fußgänger, automatische Verlängerung von Übergangszeiten, besondere Beleuchtung von Fußgängerüberwegen, Infrarotdetektoren für die Straße querende Fußgänger und elektronische Sender für Fußgänger mit Behinderungen.“ [12]

 

 

Seniorin bedient einen Fahrkartenautomaten mit Touchscreen
Der Öffentliche Verkehr ist für Senioren das sicherste Fortbewegungsmittel. Die Lesbarkeit der Displays an Fahr­karten­automaten und ihre Bedienbarkeit sind oft verbesserungsbedürftig. (Foto: Rundum-mobil)

Darüber hinaus wird immer wieder auf die Bedeutung der öffentlichen Verkehrsmittel gerade für die Senioren hingewiesen: „In Anbetracht der in Europa und weltweit alternden Bevölkerung ist es wichtig zu erkennen, dass Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln eine grundlegende Verknüpfung mit Freunden, Familie und der weiteren Gesellschaft bietet. Mit anderen Worten: Sie sind der Schlüssel zu unabhängigem Leben für jeden.“ [13]

Hinweise auf konkrete Infrastruktur-Maßnahmen

Finden Sie auf der Website "www.fuss-ev.de":

Sowie in den Themenbereichen:

Unter www.geh-recht.de > Fußverkehrsanlagen haben wir für Sie alle wesentlichen und aktuellen Regelwerke zusammengestellt, die selbstverständlich auch gerade für ältere Menschen und Menschen mit Mobilitätseinschränkungen als sogenannter „Stand der Technik“ von Bedeutung sind.

Zur Einschätzung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen wie z.B. Shared Space oder die Begegnungszone insbesondere auf die „empfindlicheren“ Verkehrsteilnehmer empfehlen wir die Website www.strassen-fuer-alle.de.

Das derzeit beste Print-Medium sind nach unserer Auffassung die Empfehlungen zur Mobilitätssicherung älterer Menschen im Straßenraum, Leitfaden Mobilität und Verkehr der Eugen-Otto-Butz-Stiftung [14], www.butz-stiftung.de

 


 

Informationen über die Bedeutung der Verkehrssicherheit für Senioren und das Unfall-Risiko finden Sie unter Sicherheit. Die Verbesserung der Verkehrssicherheit ist in einem hohen Maße von der örtlichen Infrastruktur der Verkehrsflächen und Aufenthaltsräume abhängig. Sie kann durch die Verkehrsmittelwahl und das Verkehrsverhalten beeinflusst werden und ist zudem abhängig von der Wahrnehmungsfähigkeit und der Gesundheit der Verkehrsteilnehmer. In der Rubrik Tipps finden Sie eine Zusammenstellung von Hinweisen für die Teilnahme am Straßenverkehr und eine Zusammenstellung ausgesuchter Veröffentlichungen zum Themenkomplex im Literatur-Register.

 

Quellengaben und Anmerkungen

können sich wiederholen, um Ihnen das Auffinden zu erleichtern:

[1] Schlag, B., Richter, S.: Internationale Ansätze zur Prävention von Kinderverkehrsunfällen. Zeitschrift für Verkehrssicherheit 55(4), 2005, S. 182-188, angelehnt an die für alle Lebens- und Arbeitsbereiche geltende „3-E-Formel“ von Hilse, H.G., Schneider, W. (Hrsg.): Verkehrssicherheit. Handbuch zur Entwicklung von Konzepten. Stuttgart 1995

[2] Planerische und technische Maßnahmen (engineering), Legislative Maßnahmen, Kontrolle und Überwachung (enforcement), Erzieherische und kommunikative Maßnahmen (education), Anreizsysteme, Kosten (encouragement, economy).

[3] Europäische Kommission: „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020“, KOM(2010) 389, 20. Juli 2010, Maßnahmen, S.15

[4] Gerhard Naegele, TH Dortmund: Gestörte Altersruhe, Der Tagesspiegel 23.9.2010

[5] vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BMWi (Hrsg.): Ökonomische Impulse eines barrierefreien Tourismus für Alle. Dokumentation Nr. 526, Berlin, 2004. Zit. nach D. Boehnke, J. Gerlach, B. Rönsch-Hasselhorn, V. Conrad: Empfehlungen zur Mobilitätssicherung älterer Menschen im Straßenraum, Leitfaden Mobilität und Verkehr, Band 01, eine Schriftenreihe der Eugen-Otto-Butz-Stiftung, Köln 2010

[6] Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) (Hrsg.): IN FORM Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und Bewegung – Nationaler Aktionsplan zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht und damit zusammenhängenden Krankheiten. Berlin, Dezember 2008, 2.3.3. Anreize in den Lebenswelten, S.32

[7] vgl. Ministerium für Gesundheit, Soziales und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen: Einkommen und Auskommen älterer Menschen in Nordrhein-Westfalen. Ergebnisse der Repräsentativumfrage, Düsseldorf, 2003. Zit. nach W. Echterhoff (Hrsg.): Strategien zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen, Mobilität und Alter, Band 01, eine Schriftenreihe der Eugen-Otto-Butz-Stiftung, Köln 2005

[8] Dietiker, Jürg: Altersgerechte Siedlungs- und Verkehrsplanung, in Monika Tschannen, Ursula Gertsch, Ludo Cebulla (Hrsg.): Mobilität im Alter, Fokus Siedlungs- und Verkehrsplanung, Berner Beiträge zur Gerontologie II, Weißensee Verlag, Berlin 2007

[9] W. Echterhoff (Hrsg.): Strategien zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen, Mobilität und Alter, Band 01, eine Schriftenreihe der Eugen-Otto-Butz-Stiftung, Köln 2005

[10] Matthias Franz: Ältere Menschen an städtischen Hauptverkehrsstraßen. Diplomarbeit, Fakultät Raumplanung, Technische Universität Dortmund, 31.10.2008, 6.3 Schlussfolgerungen

[11} Europäische Kommission: „Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020“, KOM(2010) 389, 20. Juli 2010

[12] AGE Platform Europe (Hrsg.): „AGE response to European Commission consultation relating to the preparation of a EUROPEAN ROAD SAFETY ACTION PROGRAMME 2011-2020“ Brüssel, 20. November 2009, S.3

[13] Isabel Borges: "The added value of accessible public transport for all in the context of demographic ageing", AGE Presentation at XXIII World Road Congress, Paris, September 2007

[14] D. Boehnke, J. Gerlach, B. Rönsch-Hasselhorn, V. Conrad: Empfehlungen zur Mobilitätssicherung älterer Menschen im Straßenraum, Leitfaden Mobilität und Verkehr, Band o1, eine Schriftenreihe der Eugen-Otto-Butz-Stiftung, Köln 2010